Trotz seines Namens «Australian» stammt der Australian Shepherd aus den Vereinigten Staaten. Vor der Entdeckung des amerikanischen Kontinentes durch die Europäer waren dort nur einige Hunderassen
beheimatet. Dies ist durch Knochenfunde bei Ausgrabungen belegt. Im Norden gab es die kräftigen Schlittenhunde der Eskimos. Weiter im Süden die wolfsähnlichen Indianerhunde. Sie dienten als
Zugtiere für Schleppschlitten, bewachten die Lager und wurden zur Jagd mitgenommen. Sie waren oft von bunter Fellzeichnung oder stichelhaarig. Als die weißen Siedler kamen, brachten sie auch ihre
Hunde mit. Die Indianerhunde verschwanden. Und die Geschichte des Australian Shepherds begann.
Wie er entstand, kann nur vermutet werden, es gibt keine Aufzeichnungen, doch seine Geschichte ist eng verbunden mit der Besiedlung des amerikanischen Westens und Australiens. Allein während der
großen Hungersnot von 1845/46 in Irland wanderte z.B. rund eine Million Iren nach Australien und Nordamerika aus. Mit ihnen gingen sicher auch zahllose Farm Collies, die Vorläufer der heutigen
Border Collies. Aus Spanien und dem Baskenland wurden Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts Merino-Schafe nach Australien exportiert und von dort später nach Amerika geholt. Mit den
Schafen gingen jedes Mal die spanischen Schäfer mit ihren Hunden. Nach Australien dürften Hunde, ähnliche der heutigen Pyrenäen-Schäferhunde, mitgenommen worden sein. Das Vorkommen der
natürlichen Stummelrute beim Aussie und beim Berger des Pyrénées ist ein Indiz dafür. In Australien war vermutlich auch der Australian Cattledog, auch Queensland oder Blue Heeler genannt, an der
Entstehung des Australian Shepherd beteiligt. Weil sie ihm im Aussehen um im Charakter sehr ähnlich sind, wird heute angenommen, dass noch zwei weitere alte Hütehundrassen eingekreuzt wurden: der
Old Welsh Bobtail aus Wales, der ebenfalls vom Pyrenäen-Schäferhund abstammen soll, und der German Collie aus New South Wales.
Als die baskischen Schäfer mit ihren Hunden in Amerika ankamen, fielen ihre «little blue dogs» zum erstenmal auf. Sie waren in der Lage, die Herden in der Weite des Westens zusammenzuhalten und
zu beschützen. Sie waren auffallend gelehrig und ihrem Herrn treu ergeben, doch sie waren auch unabhängig und hatten Verstand genug, um beinahe in jeder Situation auf sich selbst zu achten, wie
es Jeanne Joy Hartnagle-Taylor in ihrem Standardwerk über den Aussie beschreibt. Sie notiert weiter, dass diese Hunde zu Anfang des Jahrhunderts auf den Westen und Nordwesten der USA konzentriert
waren, und dass der Hundetyp jeder Region anders war. In den Staaten Oregon, Idaho, Colorado und Washington waren die Hunde etwas schmaler und kompakter als jene, die entlang der Westküste von
Kalifornien gehalten wurden. Nach einer Legende waren die Hunde den Indianern heilig, wegen ihrer ungewöhnlichen, oft blauen Augen. Sie wurden «die mit den Geisteraugen» (ghost-eyed ones) genannt
und in Ruhe gelassen (ebenso wie ihre Besitzer). Die Amerikaner machten es sich einfacher: Die Merino-Schafe waren für sie Australian Sheep. So nannten sie die Hunde: Australian Shepherd. Und
dieser Name ist ihnen bis heute geblieben.
Die Zucht in Nordamerika war anfangs rein leistungsorientiert. Das Aussehen interessierte niemanden. Verpaart wurden nur Hunde, die einen starken Hütetrieb zeigten, zäh, flink und ausdauernd
waren. So entstand eine Hunderasse, die führig, gelehrig und verträglich war, außerdem unabhängig und selbstsicher im Umgang mit Vieh. Unermüdlich und mit enger Bindung zum Schäfer arbeiteten
diese Hunde an den Schaf- und Rinderherden des amerikanischen Westens. Populär wurden Australian Shepherd erst, als in den 50er und 60er Jahren Jay Sisler aus Emmett, Idaho, mit seinen
«trick-dogs» bei Rodeo-Shows in ganz Amerika Aufsehen erregte. Seine Hunde beherrschten so unglaubliche Tricks wie auf den Hinterbeinen stehend auf Stangen balancieren, Seilspringen, Leitern
hinaufklettern und vieles mehr. Sie traten auch in mehreren Filmen auf, wie «Run Appaloosa Run» und Disney´s «STUB - The Greatest Cowdog in the West». Jay Sislers Blue Merle Rüde Shorty (1948 -
1959) war nicht nur ein beeindruckender «trick-dog»; Nachkommen von ihm wurden die Gründer der bekanntesten amerikanischen Zuchtlinien